von Johannes Koch
Vor rund einer Woche bin ich aus dem Oman zurückgekehrt. Auf diese intensive Zeit folgten gleich einige geschäftige Tage hier in Deutschland. So schnell holt einen der Alltag wieder ein. Also sitze ich nun am Rechner und sichte meine Logbuch-Einträge. So lebendig ich meine Erinnerungen empfinde, so sehr habe ich sie in meinem Gedächtnis schon vereinfacht und gekürzt. Das wird mir beim lesen meiner Notizen wieder einmal richtig bewusst.Früher habe ich gar nicht bemerkt, wie schnell das geht. Ich blättere in meinen Aufzeichnungen und sortiere meine Gedanken. Ich möchte Sie nun also mitnehmen auf eine Reise in den Orient zu Wüste und Weihrauch, Wadis und Bergen. In das Sultanat von Oman.
Am Freitag den 26.04. Am Nachmittag habe ich mich also auf den Weg zum Flughafen gemacht. Der erste große Vorreise- Schreck war schon verarbeitet, den hatte ich am Vorabend, der Online-Check-in ließ sich nicht abschließen. Es fehlen Daten zum Visum, so die wiederkehrende Fehlermeldung.Von der Agentur hatte ich aber nur die Infos zu einem Visum on arrival. Da war schon mal kurzes Herzrasen angesagt. Beinahe hätte ich also im Eifer des Gefechts ein teures Visum online beantragt. Wie viele sich da tummeln, um einem in solch einem Moment der Aufregung das Geld aus den Taschen zu ziehen, wurde mir da mal wieder bewusst. Durch unanständige Firmen, die den Anschein erwecken, die offizielle Visastelle zu sein. Aufgeregt wie ich war, ich sollte es besser wissen, hätte ich meine Reisekasse um ein Haar mit weiteren 90 € belastet. Etwas Vergleichbares ist mir bisher nur beim Thema „Nachsendeauftrag“ einrichten nach meinem Umzug passiert. Da habe ich das Lehrgeld zunächst bezahlt. Das ist jedoch eine andere Geschichte. Der Fehler lag übrigens in der Software von der Airline.
Ich wollte hier ja vom Oman berichten. Wir spulen also im Schnelldurchgang nach vorne über einen reibungslosen Flug mit Zwischenstopp in Istanbul, ich bin mit Turkish Airlines geflogen, für diese Strecke was Preis-Leistung anging eine gute Wahl, und eine nette Begegnung mit Johnny, einem dauer reisenden Kanadier am Flughafen in Istanbul, inklusive Vorlesung in Philosophie und ein gutes Leben. schließlich eine reibungslose Einreise, zum Glück mit Fastlane und ohne Probleme beim Visum. Meine Motivation, mich nach schlafloser Nacht in den Pulk der Einreisenden aus aller Welt zu stürzen, hielt sich dann doch in Grenzen.
Der bleibendste erste Eindruck – es war noch vor 07:00 Uhr am Morgen – waren die Temperatur und Luftfeuchtigkeit beim Verlassen des Flughafens. War ich am vorangegangenen Wochenende noch in München von Schnee überrascht worden, wartete Muscat (auch manchmal Maskat geschrieben) mit einem Phänomen auf mich, das ich in Deutschland nur umgekehrt aus dem Winter kenne: eine beschlagene Brille.
Ein Phänomen, das mir auch die ersten Schnappschüsse mit der Kamera ordentlich verhagelt hat. Auch die Linse musste sich erstmal akklimatisieren.
Unser Fahrer für den Transfer zur ersten Unterkunft wartete bereits mit dem standesgemäßen Toyota Landcruiser auf uns. Kälte ist im Oman ein Statussymbol und die Klimaanlage auf 18°C eingestellt. Eine der ersten Amtshandlungen für uns zugluft empfindliche Deutsche ab sofort: Klimaanlagen auf 22°C und Lüftung runter.
Unser Fahrer, ein hochgewachsener Omani mit ruhiger Ausstrahlung war der erste Grund, den Oman lieben zu lernen. Auf der rund 30-minütigen Fahrt verstand er es, auf ruhige und unaufdringliche Weise die am Wegesrand gelegenen Bauten zu benennen, hatte zu allen einige interessante und bemerkenswerte Informationen parat und beantwortete alle Fragen mit einer Ruhe und Würde in der Ausstrahlung, dass ich begann mich sofort wohl zu fühlen. Wenn Sie der englischen Sprache mächtig sind, empfehle ich, auf den deutschen Guide zu verzichten, denn die englischsprachigen Guides sind selbst Omanis, während die deutschsprachigen Guides oft zugezogene Gastarbeiter sind, die gewissermaßen immer nur als Außenstehende berichten können. Die Driver-Guides hingegen müssen Omanis sein und schaffen es viel besser, die Kultur und das Lebensgefühl der Omanis zu transportieren. Mein Fahrer jedenfalls war für mich ein wirkliches Highlight der Reise, ihm würde ich mich jederzeit gerne wieder anvertrauen.
Es ist also Samstag Morgen und wir erreichen den Al Bustan Palace. Der Al Bustan Palace, heute ein 5-Sterne-Hotel, wurde ursprünglich als majestätisches Gästehaus von Sultan Quaboos konzipiert. Die Geschichte der Beherbergung von Staatsmännern aller Welt und den wichtigsten Geschäftspartnern des Sultanats spürt man von der ersten Sekunde. In der Empfangshalle wird man von einem sanften Weihrauchduft empfangen und kaum hat man die große Drehtür durchschritten, öffnet sich der Raum nach oben und bildet eine an Moscheen erinnernde Kuppel in prächtiger Verzierung. Wer die Dimensionen auch nur ansatzweise auf einem Foto einfangen möchte, tut gut daran, ein paar Menschen in seinem Motiv einzubauen, denn nur so lassen sich die Größenverhältnisse im Zweidimensionale begreifen. Rund achtzig Meter ist die Halle hoch und der Kronleuchter aus Swarovski-Kristallen hat ein Eigengewicht von rund 2,5 Tonnen und ist damit einer der größten Kristallkronleuchter der Welt. Dimensionen und Atmosphäre, die Bilder und Videos nicht zu transportieren vermögen, und so kann Ich erinnere mich daran, wie groß und klein ich mich zugleich gefühlt habe. Wer sich also mal so richtig auf die Kontraste, die der Oman zu bieten weiß, einstimmen möchte, der trifft mit dem Al Bustan Palace eine gute Wahl für eine erste Übernachtung. Eine längere Zeit würde ich dort jedoch nicht verbringen wollen. Zwar bietet der Palast auch einen großzügigen Spa- und Badebereich mit privatem Strandabschnitt, aber so richtig heimelig habe ich mich dort nicht gefühlt, zu sehr erinnert einen der staatsmännische Prunk an Politik und Großwirtschaft. Ich denke, an kaum einem anderen Ort der Welt lassen sich die Kontraste zwischen Moderne und Tradition wie auch zwischen Prunk und Einfachheit so eindrucksvoll erleben wie im Oman. In diesen Kontrasten manifestiert sich auch der größte Unterschied zu den anderen Ländern auf der arabischen Halbinsel: Anders als in den Emiraten spürt man im Oman den Wunsch, mit dem üppigen Geld aus der Petrochemie nicht seine Identität zu verlieren. Auch wenn so manche Eigenheit des Omans ein wenig neureich daherkommt, die Omanis haben die entbehrungsreiche Zeit nicht vergessen, die das Land vor 1970 im Klammergriff hatte. Man ist dankbar für den Wohlstand und Komfort, den die Herrschaft von Sultan Quaboos in das Land brachte und in so mancher Erzählung klingt es fast so, als habe der Sultan das Land in kleinteiliger Eigenarbeit eigenhändig aufgebaut.
Für die Omanis ist der 2020 verstorbene Sultan jedenfalls die Vaterfigur der Nation. In Weisheit hat er das Land aus der Isolation befreit und in Rekordzeit zum Wohlstand gebracht. Die Erzählung eines guten Herrschers, der sein Volk immer im Fokus hatte. Tatsächlich ist auch für uns Außenstehende die Erfolgsgeschichte beachtlich.
Waren in ganz Oman 1970 gerade mal rund 100 Personen im medizinischen Bereich tätig, gibt es heute rund 60 Kliniken und eine umfassende, staatliche Gesundheitsversorgung, die für alle Omanis kostenfrei ist. Im Jahr 2000 besetzte Oman im Ranking der WHO den ersten Platz der effizientesten Gesundheitssysteme. Der Oman konnte die Lebenserwartung von rund 50 auf 75 Jahre steigern und die Kindersterblichkeit von erschreckenden 118 von 1000 im Jahre 1970 auf heute 10 senken. Ähnliche Werte finden sich auch bei Themen wie der Alphabetisierung wieder und auch wer im Oman heute Senior ist und nie eine Schule besucht hat, kann sich in kostenfreien Bildungszentren fortbilden. Die Alphabetisierung in Oman liegt bei der männlichen Bevölkerung bei 97% (2020) und bei den Frauen bei 93%. Für die jungen Omanis liegen die Werte jenseits der 99% und unterscheiden sich kaum noch zwischen Männern und Frauen. Hatte Sultan Quaboos die Bildung seiner Bevölkerung als wichtigsten Wert erkannt, fließen heute rund ein Viertel der zivilen Staatsausgaben in Oman in den Sektor Bildung. Ein Wert, von dem wir in Deutschland nur träumen können.
Zurück in den Al Bustan Palace. Zu meiner großen Freude war das Zimmer bereits bezugsfertig und eine lauwarme Dusche war mir eine willkommene Erfrischung nach über 12 Stunden Reisezeit und den ersten Berührungen mit dem omanischen Klima. Für diejenigen unter Ihnen, die eine Oman Reise in ihre engere Auswahl gefasst haben, sei noch erwähnt: Anfang Mai ist die Saison eigentlich schon um, denn es ist für Touristen zu warm und auch die Omanis freuen sich auf eine Zeit in klimatisierten Räumen oder reisen selbst in den Süden des Landes, wo sich dann der sogenannte Khareef, ein Monsun Ausläufer, erleben lässt, der mit Regen für blühende Landschaften und Erfrischung sorgt.
Ich wollte meine knapp bemessene Reisezeit möglichst vollständig auskosten, daher gab es nur einen 20-minütigen Powernap und anschließend einen doppelten Espresso. Kamera ausgepackt und auf geht’s zur Erkundung rund um den Palast. Heute war es allerdings so diesig, dass an gute Bilder kaum zu denken war, zu hoch die Luftfeuchtigkeit und zu gering die Sichtweite. Also lieber ein bisschen erfrischen, die Dimensionen des Hotels erlaufen und dann stand auch schon direkt das erste gemeinsame Essen mit den anderen Teilnehmern auf dem Plan, schließlich war ich nicht alleine unterwegs, sondern mit Kolleginnen und Kollegen einiger unserer „Mitbewunderer“. Ein paar Mal habe ich es fast vergessen, schließlich war mein Besuch zuallererst eine Geschäftsreise, es standen also zahlreiche „Site Inspections“ und Kurzbesuche auf dem Plan. Erholung lag nicht im Fokus.
Am frühen Nachmittag ging es dann im Kleinbus zur nächstgelegenen Marina, wo wir an Bord einer landestypischen Dhau gegangen sind, um uns Maskat mit seinen Festungen einmal von der Seeseite anzusehen und dabei das eine oder andere kühle Getränk zu verzehren.
Vorbei an schroffen Felsen, die sich direkt ab der Küste erheben – das Al Bustan Palace liegt ein Stück südlich des historischen Stadtkerns von Maskat – eröffnet sich dann der Blick in die Bucht von Mutrah, eingesäumt von Festungen aus der Besatzungszeit durch die Portugiesen, die von dort im 16. Jahrhundert den Hafen und damit den Handel in der Meerenge von Hormuz kontrollierten. Heute sind diese Festungen weitgehend restauriert und sollen bald auch durch Touristen besucht werden können. In der Bucht findet man auch die große Privatyacht des Sultans und seinen offiziellen Palast, in dem er jedoch nicht dauerhaft residiert. Ob der Sultan in der Stadt ist, lässt sich an der gehissten Fahne erkennen.
Eine kleine Eigenheit zur Stadt Maskat hatte mir der Fahrer noch auf den Weg gegeben: In Maskat, so hat es der Sultan verfügt, haben Autos stets geputzt zu sein. Wer mit einem schmutzigen Fahrzeug in die Stadt fährt, riskiert eine saftige Strafe. Ausnahmen gelten nur kurz nach starkem Regenfall. Was vom Meer aus nochmal eindrucksvoll klar wird, sind die geografischen Gegebenheiten. Kurz hinter der bereits überwiegend felsigen Küste erheben sich die Gebirgszüge des Hajar-Gebirges und runden das Bild der Stadt zwischen Meer und Bergen ab.
Der erste Abend unserer Reise fand im luxuriösen Jumeirah statt, einem der nahegelegenen 5-Sterne Hotelanlagen, wo wir ein köstliches Abendessen genossen. Die opulente Atmosphäre und die exquisite Küche waren ein Vorgeschmack auf das, was uns in den kommenden Tagen erwarten würde. Zurück im Al Bustan Palace ließen wir den Tag in den eleganten Räumlichkeiten des Hotels ausklingen und träumten bereits von den kommenden Abenteuern.
Am nächsten Morgen brachen wir früh nach Nizwa auf. Die Fahrt durch die weite, abwechslungsreiche Landschaft war ein Erlebnis für sich. In Nizwa angekommen, tauchten wir in das lebhafte Treiben des Souks ein. Der Markt bot eine bunte Vielfalt an Waren – von Gewürzen und Weihrauch über Schmuck bis hin zu traditionellen omanischen Souvenirs. Besonders faszinierend war die Vielfalt der frischen Fruchtsäfte, die wir probieren konnten. Nizwa ist bekannt für seine jahrhundertealte Geschichte als Handelszentrum, und der Souk spiegelt diese reiche Vergangenheit wider.
Nach dem Souk-Besuch erkundeten wir die imposante Festung von Nizwa, eine der ältesten und wichtigsten Festungen im Oman. Erbaut im 17. Jahrhundert von Sultan Bin Saif Al Ya’rubi, diente sie als Schutz gegen feindliche Angriffe und als Verwaltungssitz. Unser Guide erzählte uns eine interessante Anekdote: Als letzte Verteidigungslinie sollen die Feinde mit heißem Dattelsirup übergossen worden sein. Die Omanis sagen im Scherz, dies sei der Grund, weshalb einige Portugiesen heute so braun sind.
Zum Mittagessen kehrten wir in ein kleines, landestypisches Lokal in Nizwa ein. Das einfache, aber köstliche Essen war ein Genuss und die frischen Fruchtsäfte eine willkommene Erfrischung. Besonders erwähnenswert war das „Shuwa“, ein traditionelles omanisches Gericht aus langsam gegartem Lammfleisch, das in Bananenblättern verpackt und in einem unterirdische Sandofen zubereitet wird.
Nach dem Mittagessen machten wir uns auf den Weg ins Jebel Akhdar-Gebirge. Unser Ziel war das Anantara-Hotel, ein wahres Juwel inmitten der felsigen Landschaft. Jebel Akhdar, was „Grüner Berg“ bedeutet, ist bekannt für seine milden Temperaturen und seine fruchtbaren Terrassen, auf denen Rosen, Granatäpfel und Walnüsse wachsen. Die Zimmer des Hotels boten einen atemberaubenden Blick auf die umliegenden Berge, und das Abendessen war ein kulinarisches Highlight. Der Abend am Diana’s Spot, einer berühmten Aussichtsstelle, war unvergesslich. Wir saßen an der Feuerschale und ließen den Tag Revue passieren, während die klare Nacht einen atemberaubenden Blick auf den Sternenhimmel bot.
Der nächste Morgen begrüßte uns mit einer malerischen Aussicht und angenehmen Temperaturen, auch wenn die Sonne schon kräftig schien. Mein Willkommensgeschenk, ein traditionelles omanisches Tuch, erwies sich als äußerst nützlich, um meinen Nacken vor Sonnenbrand zu schützen – ein wertvoller Begleiter, der mir später in der Wüste noch gute Dienste leisten würde.
Am dritten Tag unternahmen wir eine Wanderung durch ein Bergdorf und die dazugehörigen Terrassengärten, auch als „hängende Gärten“ bekannt. Die Terrassengärten des Jebel Akhdar sind ein einzigartiges landwirtschaftliches System, das seit Jahrhunderten gepflegt wird. Sie sind besonders berühmt für die Rosenblüte im Frühling, deren Duft die gesamte Region erfüllt. Wir erlebten die letzten Überbleibsel der Rosenblüte, während sich über unseren Köpfen Wolken zusammenzogen.
Anschließend besichtigten wir das Dusit2d-Hotel und genossen dort ein köstliches Mittagessen. Unsere Reise führte uns weiter zum Alila-Hotel auf dem Jebel Akhdar. Trotz der felsigen und schroffen Landschaft trägt der Berg den Namen „Grüner Berg“ zu Recht. Überall wuchsen kleine Pflanzen und Bäume, die die Landschaft lebendig machten. Am Nachmittag unternahm ich mit einer Mitreisenden eine kleine Wanderung von etwa 2 km. Das fantastische Abendlicht und die aufkommende Bewölkung boten perfekte Bedingungen für schöne Fotos. Zum Abendessen mussten wir aufgrund leichten Regens und böigem Wind nach innen umziehen. Die Nacht klarte jedoch wieder auf, sodass wir mit einem Teleskop die Sterne beobachten konnten. Lange lag ich einfach auf dem Rücken und schaute in den Himmel, wo ich meine ersten Sternschnuppen des Jahres sah. Ich schlief tief und entspannt.
Am Morgen des vierten Tages machte ich mich um 05:00 Uhr zu einer Sonnenaufgangsrunde auf. Der kurze, aber schöne Trail auf dem weitläufigen Gelände des Alila Hotels bot eine herrliche Möglichkeit, den Tag zu beginnen. Hier wird auch Gemüse für die eigene Küche angebaut, was das Frühstück noch köstlicher machte. Nach einem vorzüglichen Frühstück wurden wir abgeholt und setzten unsere Reise fort. Unser Ziel war der Rand der Wahiba-Wüste. Diese endlose Sandwüste erstreckt sich über 12.500 Quadratkilometer und ist bekannt für ihre hohen Dünen und die Nomaden, die hier leben. Wir nutzten die Zeit, um Wasser zu kaufen und die Luft aus den Reifen zu lassen, um für das Fahren im Sand vorbereitet zu sein. Am Rande der Wüste erreichten wir das Desert Nights Camp, wo wir ein leckeres Mittagessen zu uns nahmen. Auf dem Weg dorthin begegneten uns die ersten Kamele. Die Wüste war nach den Unwettern vor 14 Tagen überraschend grün, ein einmaliger Anblick. Doch neben der Schönheit der erblühenden Wüste sahen wir auch die Spuren der Verwüstungen, die die Überschwemmungen in den Wadis hinterlassen hatten. Die Macht der Natur war stets zu spüren.
Nach dem Essen ging es tiefer in die Wüste hinein. Unser Fahrer erfüllte mir einen kleinen Traum und ließ mich ein gutes Stück der Strecke im Wüstensand selbst fahren. Mit einem breiten Grinsen im Gesicht ging es durch die Sandpisten hin zum 1000 Nights Camp. Dieses luxuriöse Wüstencamp bietet einen faszinierenden Mix aus traditioneller Beduinen Kultur und modernem Komfort. Wie auch in den letzten Hotels wurden wir mit feuchten Handtüchern und einem erfrischenden Getränk begrüßt. Die friedliche Stille der Wüste, unterbrochen nur vom sanften Rauschen des Windes, verlieh dem Camp einen magischen Charme. Nachdem jeder die Möglichkeit für eine Dusche und ein entspanntes Bad im Pool hatte, war ein „Sundowner“ in den Dünen geplant mit lokal typischen Snacks und Aussicht auf den Sonnenuntergang in der Wüste. In den Abendstunden nimmt mit dem Abklingen des Lichtes auch die Rotfärbung der Wüste zu.
Wir steigen also erneut in die Jeeps, um auf die Dünen zu
fahren, wo alles vorbereitet auf uns warten soll. Doch alles kommt ein wenig anders. Auf der Düne angekommen, empfängt uns ein heißer Wind, der immer stärker auffrischt. An Essen ist im aufgewirbelten Sand nicht zu denken. Die meisten bleiben in den Autos sitzen, während in mir die Lebensgeister so richtig aufleben. Was für ein geniales Licht, was für eine Fotogelegenheit! Der fliegende Sand mutet an wie eine Mischung aus fließendem Wasser und aufgewirbelter Gischt. Mit dem Tuch über die Nase gewickelt begebe ich mich ins Getümmel und freue mich, bei der Auswahl meiner Kamera vor einigen Jahren ein Modell gewählt zu haben, das der Hersteller als staub- und spritzwassergeschützt bewirbt. So schlage ich die Warnungen der anderen in den sprichwörtlichen Wind und lasse den Auslöser rattern. Ich liebe alles an der Atmosphäre.
Während ich auf den Dünen auf und ab sprinte – so viel Bewegung hätte ich mir gar nicht zugetraut in der immer noch sengenden Hitze –, fährt sich einer der Jeeps im Sand fest und muss von einem der anderen herausgezogen werden. Eine weitere Gruppe kommt auf ihren Kamelen auf der Düne an und beschert weitere tolle Fotomotive. Ich bin in meinem eigenen kleinen Paradies und als die Sonne langsam den Horizont berührt und der Wind etwas abflaut, trauen sich auch die anderen aus den Jeeps. Schade um die Arbeit, die sich die Angestellten des Camps für uns gemacht hatten, die Snacks nehmen wir später einfach im Camp zu uns und genießen den Abend in entspannter Runde bei kühlen Getränken.
Müde und zufrieden gehe ich schlafen. Wenn ich schon mal hier bin, möchte ich am Morgen nochmal auf die Dünen für den Sonnenaufgang. Objektiv war das Zimmer in der Wüste sicherlich das einfachste auf der ganzen Reise, die Klimaanlage die lauteste, das Bad das kleinste, einen Fernseher suchte man vergebens und auch WLAN gab es nur in der Lobby. In keiner anderen Unterkunft habe ich aber so gut geschlafen. Kurz vor 05:00 Uhr habe ich mich also auf den Weg gemacht auf die Dünen im Osten des Camps. Vorbei an den Ziegen und Kamelen, durch die Ebene und dann rauf auf die Dünen. Es ist bereits am Morgen rund 30°C warm und der Sand treibt einem unter den Fußsohlen davon. Viel schweißtreibender, als ich es gedacht hätte. Die Aussicht vom höchsten Dünenkamm entschädigt am Ende für alles und selten habe ich mein Frühstück so genossen wie an diesem Morgen. Wie alles in unserer Expedientenreise ist das Vergnügen in der Wüste nur von kurzer Dauer. Wir machen uns auf den Weg zum Wadi Bani Khalid. Raus aus der Wüste muss erst mal frische Luft in die Pneus und dann geht es über die Serpentinen wieder direkt hinein ins Gebirge. Die Fahrt zum Wadi zeigt noch einmal beeindruckend, welche Verwüstung die Unwetterder vorangegangenen Wochen hinterlassen haben. Teile der Straße fehlen gänzlich, links und rechts des Weges sieht man teilweise zerstörte und weggespülte Behausungen, geknickte Straßenschilder und auch viel Müll. Gleichzeitig kann man sehen, mit welcher Geschwindigkeit an der Beseitigung der Schäden gearbeitet wird.
Das letzte Stück zum Wadi ist noch nicht wieder befahrbar, wir müssen zu Fuß gehen. Das Hinweisschild zur angemessenen Kleidung im Wadi liegt plattgewalzt und von einem Fels beschwert am Boden. Trotz all der Verwüstung sieht man aber auch, wieso die Omanis sagen, das Wadi sei ein Stück vom Himmel. Das türkis-blaue Wasser hat eine angenehme Temperatur und fließt ruhig, als wäre nie etwas gewesen. Heute teste ich mal, wie wasserdicht das iPhone wirklich ist, und schwimme ans andere Ufer. Die Brücke, die den unteren Teil und den Weg zu den oberen Pools verbunden hat, liegt wie von einem Riesen zerknüllt im Tal, und so ist Schwimmen die einzige Möglichkeit, dort hinzugelangen. Was für eine herrliche Angelegenheit. Nur einer der anderen wagt sich noch ins Wasser, der Rest genießt die Aussicht und ein kühles Getränk. Wir springen in die Pools, filmen uns dabei und bis auf einen weiteren Touristen haben wir das Wadi für uns alleine. Das hat auch etwas für sich. Leider haben wir auch hier wieder Zeitdruck, denn die Fahrt zurück nach Muscat steht an, wo wir im Rusna zu Mittag essen. Das Rusna ist ein beeindruckendes Restaurant mit lokal typischer Küche wie zum Beispiel dem im Erdloch langsam gegarte Lammbraten mit Würzkruste. Das Gebäude ist einer omanischen Festung nachempfunden und damit hat der Speiseraum eine beeindruckende Höhe und ist von Wehrgängen eingefasst. In den kleineren Speiseräumen wurden Einflüsse der unterschiedlichen regionalen Kulturen eingearbeitet. Man spürt, dass hier viel Idee und Liebe zum Detail eingeflossen ist, wie es aber im Oman oft der Fall ist, hat man es vielleicht ein bisschen zu gut gemeint. Ich empfinde es als künstlich und kann mich nur teilweise damit anfreunden, es ist eben nur nachempfunden, nicht echt. Das Essen ist aber echt typisch und lecker! Generell: Gut gespeist haben wir zu jeder Zeit! Für Deutschland nehme ich mir vor, wieder mit dem Laufen anzufangen.
Gut gefüllt erreichen wir unser letztes Hotel, in dem wir zwei Nächte schlafen werden: Das Chedi in Maskat, und was dieses Hotel angeht, bin ich nicht unvoreingenommen. Der erste Eindruck passt schon mal: kühle Handtücher, schneller Gepäckservice, eine kühle Dusche und ein Hotelmanager, der uns im ersten Schritt die Roomtour erspart. Stattdessen gibt es nach dem frisch machen einen kleinen Sektempfang. Es ging mir schon schlechter im Leben.
Für das Abendessen haben wir das Kempinski auf dem Plan stehen, die Fahrt dorthin erinnert ein bisschen daran, wie man Miami am Abend aus Filmen kennt. Palmen gesäumte Straßen, luxuriöse Villen und hochwertige Fahrzeuge prägen das Straßenbild. Vor dem Kempinski stehen endgültig nur noch Edelkarossen. Der Empfang mit Sicherheitskontrollen wie am Flughafen und bewaffnete Sicherheitsleute überall. Das, so beruhigt man uns schnell, ist hier aber auch nicht der Normalzustand. Heute findet ein wichtiger Empfang der GCC-Staatsvertreter statt und entsprechend sind die Sicherheitsvorkehrungen. Unser Abendessen im Freien, direkt am Strand, läuft dann aber reibungslos und ohne staatsmännische Unterbrechungen ab. Lecker, üppig und mit guten Unterhaltungen.
Also ab ins Bett, der letzte Programmtag lag vor uns und der hatte es nochmal in sich. Sollten Sie in den Oman reisen, am besten mit uns, dann verspreche ich, dass wir mehr Zeit für die einzelnen Stationen einplanen. Nach einem hervorragenden Frühstück standen die letzten Programmpunkte an: Das Royal Opera House, die Sultan Quaboos-Moschee und ein Besuch in der hiesigen Hotelfachschule, um den Branchen-Nachwuchs kennenzulernen.
Die Moschee ist ein durch und durch beeindruckender Gebäudekomplex. An Superlativen fehlt es nicht. Als der Sultan die Moschee bauen ließ, das lässt sich überall erkennen, wollte er beeindrucken und die Bevölkerung teilhaben lassen. So fassen es auch die Omanis auf und sind mächtig stolz auf ihr Gotteshaus. Kronleuchter aus Swarovski-Kristallen, die den aus dem Al Bustan lächerlich erscheinen lassen. Ein handgewebter Perserteppich, er soll von über 600 Frauen aus dem Iran geknotet worden sein und über zwei Milliarden Knoten haben. Die Vertäfelungen und Mosaike, alle von Hand gestaltet, die Materialien, von allem das Beste aus der ganzen Welt eingeschifft. Teakholz, italienischer Marmor, Gold, Kristalle. Dem Gefühl nach könnte man mit den verbauten Werten der Moschee den deutschen Staatshaushalt sanieren. Es war wieder besonders heiß und schwül an dem Tag, dafür hatten wir die Moschee fast für uns alleine, was den Eindruck der Größe sicher nochmal verstärkt hat, schließlich könnten hier wohl rund 20.000 Gläubige gemeinsam beten.
Ähnlich opulent kommt das Opernhaus daher. Ich würde die Besuche dennoch umgekehrt vornehmen. Was die Dimensionen angeht, kommt einem die Oper direkt nach der Moschee sonst fast wie eine Schuhschachtel vor. Eine marmorne Schuhschachtel mit Teakholz und teuren Instrumenten, aufwändigen Verzierungen und der zweitgrößten mechanischen Orgel der Welt, hydraulischer Bühne und schwenkbaren Balkonen – die Orgel und Technik natürlich aus Deutschland –, aber eben eine Schuhschachtel.
Gerne hätte ich dort eine Oper erlebt, für uns blieb es bei einer kurzen Führung. Man braucht ja auch Gründe wiederzukommen.
Auf einem kurzen Zwischenstopp an der Corniche von Mutrah konnten wir dann noch den hiesigen Souk besuchen und ich habe die Chance genutzt, ein bisschen Weihrauch einzukaufen als eines der wohl typischsten Waren des Landes neben den Datteln. Der Souk in Mutrah ist deutlich touristischer und wenn auch verglichen mit anderen Märkten die Händler recht zurückhaltend sind, hier muss man handeln, um einen akzeptablen Preis zu erzielen. Ich war sehr dankbar für unseren Guide, der mir dabei geholfen hat, die hochwertigen Waren zu finden, denn hier gibt es auch viel Plunder aus China und bei den Schmuck Fälschungen macht man nicht mal einen Hehl daraus, dass es sich hier um eher mäßige Imitate handelt. Mit dem Wissen von heute hätte ich meinen Einkauf wohl besser nach Nizwa verlegt, hier war der Souk noch deutlich authentischer und nicht nur auf Touristen ausgelegt. In Mutrah, vermute ich, sucht man Einheimische vergebens oder findet sie nur bei Geheimtipps. Auch die Händler sind keine Omanis, sondern augenscheinlich meist vom indischen Subkontinent.
Die Hotelfachschule, in der wir im „Übungsrestaurant“ auch zu Mittag gegessen haben, war dann eher ein konträres Erlebnis. Kein Prunk, kein Prestige, einfache Lernumgebung. Die Omanis werden langsam zur Minderheit im eigenen Land und das wird langsam zur Herausforderung. Es gibt ein starkes Gefälle beim Wohlstand zwischen den Omanis, die es quasi nur in wohlhabend gibt, und den zahlreichen Gastarbeitern, die das Land am Laufen halten.. Diesen Eindrücken kann man sich nicht vollständig entziehen. Die Omanis sind eine sehr junge Nation, der Altersdurchschnitt der Omanis liegt bei rund 26 Jahren, die Hälfte der Omanis ist unter 27 Jahre alt. (In Deutschland liegt der Wert um die 47 Jahre.) Die Herausforderung, diese junge Bevölkerung in den kommenden Jahren in Lohn und Brot zu bringen, wird sicherlich eine spannende Angelegenheit werden. In den letzten Jahren hat man gut von den Petrodollars gelebt, jetzt gilt es, den kollektiven Wohlstand zu sichern. Ich denke, auch deshalb wird der Oman auch in den kommenden Jahren ein spannendes Reiseziel bleiben. Hier ist viel in Bewegung.
Mein Flug geht am nächsten Tag erst spät am Abend und so kann ich noch den Folgetag in Ruhe ausklingen lassen, im „longest pool in the Middle East“ meine Bahnen ziehen und auch das Meer am Chedi lasse ich nicht unbeschwommen. Am Vorabend gab es noch ein letztes üppiges Mahl und auch ein kurzer Besuch im Spa. Vorzüglich. Beides. Soviel sei verraten.
Jetzt sind einige Tage vergangen und ich konnte alles sacken lassen, habe die Bilder gesichtet und meiner Familie von meinen Erlebnissen berichtet. Mir hat der Oman sehr gut gefallen. Auf verschiedenen Ebenen. Mir hat der Oman einiges gezeigt und viel zu denken mit auf den Weg gegeben.
Eine wahnsinnig abwechslungsreiche Landschaft, schroff und sanft, grün und kahl. Rosengärten und Palmenhaine, karge Wüste und üppige Graslandschaft und auch das Licht ist anders. Eine gute Sonnenbrille ist jedenfalls Pflichtausstattung!
Der Oman zeigt meiner Meinung nach auch, dass Weltoffenheit und konservatives Denken keine Widersprüche sein müssen und auch, dass ein guter Herrscher kein Märchen sein muss. Manches mag uns befremdlich vorkommen und auch die deutsche Industrienorm habe ich mal wieder zu schätzen gelernt, zugleich war ich in allen Begegnungen von der würdevollen Herzlichkeit der omanischen Bevölkerung beeindruckt. Man geht hier sehr respektvoll und rücksichtsvoll miteinander um. Das ist wohl der größte Kontrast zu Deutschland.
Selbst im manchmal chaotischen Straßenverkehr spürt man diesen Respekt und die gegenseitige Rücksichtnahme.
Ich möchte hier auf jeden Fall wieder hin, beim nächsten Mal etwas weniger fünf Sterne und gerne noch mehr Begegnungen. Ich bin auch gespannt auf die Veränderungen der kommenden Jahre und freue mich darauf, mich bald mit Ihnen über Ihre Eindrücke zu unterhalten.
Ihr Johannes Koch